Musik jenseits der Stile
Wie könnte man generell ein Musikstück sinnvoll beurteilen, ohne dass man bloss die eigenen Vorurteile bestätigt? Gibt es so etwas wie eine Objektivität in der Beurteilung? Vielleicht könnte man es mal so versuchen: was war/ist die Absicht des Urhebers und in welchem Verhältnis dazu steht das Resultat? Wenn man so denkt, dann könnte man es vielleicht vermeiden, Birnen mit Äpfeln zu vergleichen. Ein weitere Frage könnte sich noch dazugesellen: welche Rolle dabei spielen musikalisch-technische Vorgänge wie z.B. die Improvisation? Betrachten wir z.B. die drei ...
Neulich im ZWE..
durfte ich eine wunderbaren Abend mit einer unglaublichen Session und drei grossartigen Pianisten verbringen. Aus München war Claus Raible da, der in unnachahmlicher Manier - beinahe „brachial“ - das Erbe von Bud Powell auf höchstem Niveau weiterführt. Gefolgt vom eleganten Oliver Kent, der sich mit wunderbar melodischen Instinkt und seiner perfekten Phrasierung im Kosmos irgendwo zwischen Red Garland und Tommy Flanagan angesiedelt, bewegt. Und schließlich erfreute der jüngste im Bunde, der deutsche noch am Kons studierende Stephan Plecher mit einer unglaublichen rhythmischen Unbekümmertheit und Direktheit. Neben vielen guten jungen Bassisten, Drummern und E-Gitarristen ...
Jazz und Freiheit
Mit den Nachbarländern verhält es sich ähnlich wie mit den Nachbarn; sie sind irgendwie dauernd vorhanden, aber man nimmt sie nicht wirklich wahr und genauer kennenlernen mag man sie auch nur bedingt. Einer dieser österreichischen Nachbarn ist die Slowakei mit der Hauptstadt Bratislava/Pressburg, die vor hundert Jahren durch eine Straßenbahn mit Wien verbunden war. Heute beträgt die Entfernung per Schnellboot vom Schwedenplatz nur mehr 75 Minuten. Jedenfalls ist diese östliche Nachbarstadt eine Talentschmiede für Jazzmusiker sondergleichen. Davon zeugen u.a. der Trompeter Juraj Bartos, die Gebrüder Frantisek & Roman Janoska oder ...
Von Über- und Unterdosen
Versuchen wir uns mal in die Psyche eines gesangsbegeisterten 14jährigen Mädchens - nennen wir es Anna aus NÖ - zu versetzen, das nicht aus einem künstlerischen Milieu kommt, allen zeitgeistigen Einflüssen ausgesetzt ist und versucht sich musikalisch zu orientieren. Im Moment gäbe es zwei Figuren, um die sie wohl kaum herumkommen würde. Einerseits eine "bärtige Frau", die den musikalisch gesehen wohl unnützesten Wettbewerb, den Songcontest mit einer einzigen Veröffentlichung ( Rise like a Phoenix) gewonnen und sich danach nicht mal die Mühe gemacht hat ein ganzes Album aufzunehmen. Stattdessen ...
Die junge Frau und der Jazz
Die gute Nachricht zuerst: Stefani Germanotta alias Lady Gaga hat mit Tony Bennett ein Jazzalbum aufgenommen, das den Namen Jazz auch verdient: Tony Bennett & Lady Gaga: "Cheek to Cheek" (Interscope). Es ist sehr erfreulich, dass ein Superstar des Pop so etwas überhaupt wagt. Dazu noch in einer Zeit, in der der Jazz immer mehr abhanden kommt und kaum mehr wahrgenommen wird. War der (neuere) Jazz in Europa ab Mitte der 70er Jahre und vor allem in den 80er Jahren wieder sehr präsent - nicht zuletzt dank Miles Davis und „dessen“ Pianisten Herbie Hancock, Keith ...
Als man noch wusste, dass man zu den Guten gehörte!
Aufgewachsen in einem klassischen Elternhaus, ohne Radio und Fernsehen, dafür mit einem Plattenspieler und ausschließlich klassischen Platten, vor allem Bach und Mozart. Und natürlich mit klassischem Klavierunterricht. Mit vierzehn dann zum ersten Mal den Schlager Marina, Marina entdeckt, danach mit dem klassischen Klavierspiel aufgehört. Comeback auf dem Klavier mit sechzehn, nachdem ich einen Pianisten Memories of Heidelberg habe spielen hören und das auch können wollte. Nach ein paar eher kläglichen Jazzversuchen folgte meiner Hammond L 100 eine Rockband, bereits mit drei Bl ...
To swim against the stream!
Das Urheberrechtsgesetz - in Österreich seit 1895, ist aus einem ziemlich einfachen Grund entstanden: die (klassischen) Komponisten hatten realisiert, dass sie für eine Komposition lediglich eine einmalige, nicht sehr hohe Abgeltung bekommen, der Solist jedoch noch jahrzehntelang damit Geld verdienen kann. Und diese Ungerechtigkeit wollten sie mit einer gerechteren Verteilung aus der Welt schaffen. Viele der großen Komponisten wie Mozart oder Schubert, die in Armut starben, hätten nach den heutigen Urheberrechtsgesetzen ein reiches Erbe hinterlassen.
Als Komponist ist man folgerichtig immer besonders gespannt auf die Tantiemen-abrechnungen, die entweder von staatlichen Urheberrechtsgesellschaften wie AKM ...
Von der Utopie einer musikerfreien Gesellschaft
„David Guetta, Richie Hawtin, Marco Carola – DJs, die für Gagen unter 50.000 Euro pro Abend oft nicht einmal ihre Kalender-App aufrufen. Doch trotz fantastischer Summen und eines weltweiten Hypes: als „Musiker“ im eigentlichen Sinne gilt ein DJ noch immer nicht...Schließlich ist dieser Eintritt in diese Glitzerwelt mit relativ geringen Investitionen verbunden. Etwa 2000 Euro kostet ein semiprofessionelles Equipment. Doch danach beginnt erst der mühsame Teil: das Durchsuchen von Blogs nach neuen Veröffentlichungen, das Ausprobieren, wie die Lieder zu mischen sind, wie die Reihenfolge einer Dramaturgie folgt und aus ...
Rapsodie Nègre
Diese Erik Satie gewidmete fünfsätzige Komposition schrieb der junge Francis Poulenc – Pariser Pianist und Komponist (1899 bis 1963) - 1918 im Alter von achtzehn Jahren, als in Paris nach dem Aufgreifen der hellenistischen Kultur L’Art Nègre modern war und das Jazz Age kurz drauf noch folgen sollte. Poulenc, später auch Mitglied der Groupe des Six mit Georges Auric, Louis Durey, Arthur Honegger, Darius Milhaud und der einzigen Frau Germaine Tailleferre, dürfte sicher auch die damals bereits in Paris gastierenden und mit großer Begeisterung aufgenommenen amerikanischen Ragtime Bands wie z.B. die ...
Gedanken über Hymnen, Nationen und Romy Schneider eines „heimatlosen“ Austroschweizers*
Es war irgendwann im Jahr 1978 – das Art Orchester war gerade Mal ein Jahr alt, als mir mein damaliges überlebensgroßes Vorbild Uli Scherer von Carla Bley Spangled Banner Minor and Other Patriotic Songs von Carla Bley (erschienen auf European Tour 1977 /Carla Bley Band – Watt) vorspielte. Diese sehr spezielle Bearbeitung der amerikanischen Nationalhymne hatte einen tiefen Eindruck auf mich hinterlassen und dürfte mich für eine sehr lange Zeit musikalisch geprägt haben. Besonders glücklich war ich dann, als Carla mich 1985 beim Jazz-Jamboree Warschau plötzlich ...