Neulich im ZWE..
durfte ich eine wunderbaren Abend mit einer unglaublichen Session und drei grossartigen Pianisten verbringen. Aus München war Claus Raible da, der in unnachahmlicher Manier - beinahe „brachial“ - das Erbe von Bud Powell auf höchstem Niveau weiterführt. Gefolgt vom eleganten Oliver Kent, der sich mit wunderbar melodischen Instinkt und seiner perfekten Phrasierung im Kosmos irgendwo zwischen Red Garland und Tommy Flanagan angesiedelt, bewegt. Und schließlich erfreute der jüngste im Bunde, der deutsche noch am Kons studierende Stephan Plecher mit einer unglaublichen rhythmischen Unbekümmertheit und Direktheit. Neben vielen guten jungen Bassisten, Drummern und E-Gitarristen die ich alle nicht kannte, bestachen der unverwüstliche „Hank“ Gradischnig und die italienische, hier bestens bekannte Vokalistin Anna Lauvergnac. Ich hatte das Gefühl, daß das Publikum ausnahmslos aus äußerst aufmerksamen Musikern bestand. Dadurch entstand eine solidarische Stimmung einer eingeschworenen mitfiebernden Gemeinschaft, die durch dick und dünn geht, dabei aber niemanden ausschließt. Und im metaphysischen Hintergrund lächelt irgendwo das Original Roman Schwaller, der als Leiter des Jazzkonservatoriums viel Lust, Liebe und Crazyness für den Jazz verströmt und so eine ganze Generation von jungen Jazzmusikern motiviert.
Der Abend im ZWE erinnert mich an die Jazzspelunke in den 70er Jahren, allerdings mit umgekehrten Vorzeichen. Damals spielten die alten Herren Straight-Ahead und wir „Jungen“ Revolution. Heute spielen viele der „Alten“ noch immer dieselbe Revolution, die Jungen dafür wunderbar Straight-Ahead. Und das sehr lebendig, entstaubt, frisch und überzeugend.
Allerdings fern jeglicher medialen oder kulturpolitischen Wahrnehmung, weil damit kein Staat zu machen ist. Denn da regiert ja gerade die Performance. Ja, dieselbe schlechte und langweilige wie in den 70ern, nur etwas pornographischer und allgemein noch geschmackloser und dilettantischer. Dank der „genialen“ Idee, alle Sparten wie Musik, Schauspiel, Tanz etc. zugunsten von politisch orientierter, ichbezogener, hochemotionaler (bitte als Schimpfwort zu verstehen!) Performance aufzuheben. Der große Vorteil dabei: man muss sich dann mit nichts mehr beschäftigen! Und um mit Konrad Paul Liessman zu reden: wenn man schon dabei ist, die Bildung abzuschaffen, dann könnte man ja die Kunst in einem Aufwasch gleich mitnehmen.
Das Böse ziert also einen neuen Namen: Thomas Zierhofer-Kin, der bereits das Donaufestival in Krems in eine technoide Kinderparty umgestaltet hatte, darf als neuer Festwochenchef für seine postpubertären Performance-Konzepte fünf Jahre lang jährlich ca. € 14,5 Mio.- verbraten. Gedankenpause 1) - Gedankenpause 2) - Gedankenpause 3) - richtig: macht 72,5 Mio!
Aber wieder zurück zu den Guten: es gäbe da jemanden, der tatsächlich alle Grenzen aufhebt und mehrere Kunstsparten auf allerhöchstem Niveau in einer Person vereint. Als Sängerin, Dirigentin, Performerin, Charismatikerin und Retterin der neuen Musik: die unglaubliche kanadische Sängerin Barbara Hannigan, die sich allen Kriterien entzieht und die eine eigene neue Gattung von bisher unerreichter Interpretation geschaffen hat! Käme aber leider für die technoiden Kinderpartys nicht infrage, denn sie ist eine gnadenlos harte Arbeiterin und hat geübt!
mathias rüegg
Der nächste Eintrag folgt am 15.12.