to blog or not to blog # 6, 25.09.2014

To swim against the stream!

Das Urheberrechtsgesetz - in Österreich seit 1895, ist aus einem ziemlich einfachen Grund entstanden: die (klassischen) Komponisten hatten realisiert, dass sie für eine Komposition lediglich eine einmalige, nicht sehr hohe Abgeltung bekommen, der Solist jedoch noch jahrzehntelang damit Geld verdienen kann. Und diese Ungerechtigkeit wollten sie mit einer gerechteren Verteilung aus der Welt schaffen. Viele der großen Komponisten wie Mozart oder Schubert, die in Armut starben, hätten nach den heutigen Urheberrechtsgesetzen ein reiches Erbe hinterlassen.  

Als Komponist ist man folgerichtig immer besonders gespannt auf die Tantiemen-abrechnungen, die entweder von staatlichen Urheberrechtsgesellschaften wie AKM (A), GEMA (D), SUISA (CH) oder SACEM (FR), oder bei Plattenverkäufen direkt von den Major-Labels kommen. Wobei es in der Natur der Sache liegt – der Musikmarkt ist größten Veränderungen unterworfen, dass die „konventionellen“ Tantiemenzahlungen massiv zurückgehen.

Seit  jüngster Zeit wird nun auch gestreamte Musik abgerechnet. Diese monatlichen Abrechnungen zu studieren gleicht einem besonderen Vergnügen, da man lernt, sich in die Welt rechts des Kommas zu  vertiefen. Da es verschiedene Tarife gibt, wie die Einkünfte beim Streaming verteilt werden, fange ich mal bei mir an, mit dem Album All That Strauss 2/Vertrieb Hoanzl. Letztes Monat habe ich pro Stream € 0.0001308781869688 bekommen. Ich rechne das jetzt hoch: das würde bei 1000 Streams € 0,13, bei 1 Mio Streams € 130,87 und bei 10 Mio Streams  € 1.308,70 ausmachen. Nun weiß ich wohl, dass dies ein unterdurchschnittlich schlechter Wert ist. Bei Spotify sollen es angeblich ca. € 0,0034 pro Song sein, aber so wirklich herausfinden lässt sich das wohl kaum! Wenn ich nun die ca. sechs Mio zahlenden Spotify-Nutzer bei € 10.-/Monat aufs Jahr hochrechne, komme ich auf Einnahmen von € 720 Mio/Jahr. Die laut Spotify gestreamten Songs pro Jahr betragen ca. 90 Milliarden (bei 4,5 Mia gestreamten Stunden). Die Ausschüttung an die Künstler würde also bei € 0,0034 pro Song 288 Mio betragen. Das deckt sich in etwa mit den Zahlen des Konzerns. Allerdings redet Spotify davon, dass sie 70% an die Künstler ausschütten. Bei meiner Berechnung würde das allerdings nur ca. 40% ausmachen. Aber da liege ich wohl falsch, denn offiziell schreibt das Unternehmen,  das wohl in Bälde einen Börsengang plant, rote Zahlen. Wobei die 30%, also ca. € 216 Mio für die „Verwaltung“ ja auch nicht gerade nichts sind. Im Vergleich dazu: die staatliche Gesellschaft AKM hatte 2013  € 95 Mio eingenommen und € 86 Mio an die Urheber/Verleger ausbezahlt, wobei dabei ein großer Teil an die ausländischen Verwertungsgesellschaften fließt. Die Verwaltungskosten beliefen sich also auf € 9 Mio, das entspricht ca. 10%! Jedenfalls ist es verständlich, dass die Musiker mit dem Streaming keine große Freude haben. Wobei das Schöne daran ist, dass jeder einzelne Stream abgerechnet wird. Das schafft zumindest Arbeitsplätze in der Verwaltung.

Wechseln wir die Baustelle: den Schutz des geistigen Eigentums gibt es auch beim Patentrecht, also für Erfindungen aller Art, natürlich auch für Medikamente. Das soeben auf den Markt gekommene Mittel gegen Hepatitis C in Tablettenform der amerikanischen Firma Gilead (die Paralle zum Spiritual There is a balm in Gilead ist wohl zynischer „Zufall“. There is a balm in Gilead To make the wounded whole; There is a balm in Gilead To heal the sin-sick soul) kostet für eine dreimonatige Behandlung € 60.000.-, bzw. € 700.- pro Tablette. Die Schutzfrist bei Medikamenten dauert übrigens 20 Jahre, ab dann dürfen Generika auf den Markt. 

Aber fast noch lukrativer dürfte allerdings das Verfassen eines Musicals, im konkreten Fall König der Löwen (Tim Rice/Lloyd Webber) sein, dass seit seinem Bestehen 1997 als erfolgreichste Produktion aller Zeiten € 4,8 Milliarden allein über die Ticketverkäufe eingespielt hat. Die Tantiemen dürfte man wohl bei ca. 20% (also € 960 Mio) ansetzen.Der Aufwand ist um ein Tausendfaches geringer, als ein neues Medikament auf den Markt zu bringen. Und die Tantiemen hören nach 20 Jahren nicht einfach auf zu fließen.

Die Moral von der Geschichte, oder wie würde sich der moderne Anarchist verhalten? Man genießt als Konsument die geniale und riesengroße Mehr-Oder-Weniger-Gratis-Onlinebibliothek und nimmt sich als Urheber dabei nicht so wichtig. Damit Disney und Elton John nicht noch reicher werden, macht man mit seinen Kindern eine eigene Version vom König der Möven  und sollte man tatsächlich Hepatitis C infiziert sein, dann unterzieht man sich halt der kostenlosen , nicht gerade effizienten Interferonkur. Oder man befolgt den Ratschlag von Heines Onkel: „Hätt’ er gelernt was Rechtes, müsst er nicht schreiben Bücher.“ Und fängt nochmals von vorne an..:-)

mathias rüegg

Der nächste Eintrag erfolgt am 5.10.

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