music austria mica

Wien, 
04-2013 

Dass es sich bei Lia Pale um eine der hoffnungsvollsten jungen Jazzstimmen des Landes handelt, wissen die Kenner der Szene nicht erst seit gestern. Den letzten schlagenden Beweis, dass alle Vorschusslorbeeren auch vollkommen zu Recht verteilt worden sind, lieferte die in Wien lebende Sängerin vor kurzem mit ihrem Erstlingswerk „gone too far“ (Universal). Was auf dem Programm steht, ist erstklassiger und eleganter Jazz, der ganz ohne irgendeine künstliche Gezwungenheit mit viel Eigenständigkeit und Ideenreichtum zu punkten weiß. Ihren Entdecker, Förderer und kongenialen Partner hat Lia Pale in der Person des ehemaligen dem legendären Vienna Art Orchestra vorstehenden Mathias Rüegg gefunden, der von ihrem Talent vom ersten Moment an angetan, ihr auf dem Debüt genau jenen musikalischen Boden bereitet, von welchem aus sie all ihre vielfältigen stimmlichen Qualitäten voll zu Geltung bringen kann. Den Ausgangspunkt der Songs auf „gone too far“ bilden 12 ausgewählte Lieder aus Schuberts „Winterreise“, die durch Mathias Rüeggs Bearbeitung und Lia Pales gesanglicher Interpretation eine spannende musikalische Neudeutung erfahren. Wenn sich Mathias Rüegg vom Können eines/r MusikerIn so sehr überzeugen lässt, dass dieser sich zu einer Zusammenarbeit entschließt, dann muss dieser oder diese schon einiges auf dem Kerbholz haben. Lia Pales stimmliche Qualitäten auf jeden Fall dürften den gebürtigen Schweizer in hohem Maße beeindruckt haben, denn wie schon zu Zeiten seines legendären Orchesters, in dem er jungen Talenten nicht selten die Möglichkeit geboten hat, sich zu profilieren, schlüpft Mathias Rüegg (Piano) auch bei der Wienerin in die Rolle des Förderers. Und hört man sich durch die Songs ihres Erstlingswerks, dann kann man auch verstehen warum. Die sinnlich-süße und zugleich auch sehr ausdrucksstarke und facettenreiche Stimme von Lia Pale ist nämlich genau dieser einen Note, die einfach verzaubert, betört und einer jeden Nummer ihren eigenen und erfrischend zeitlosen Charakter verleiht.
Stilistisch angesiedelt sind die von dem Duo ausgewählten und mit Hilfe von Ingrid Oberkanins (Percussion), Hans Strasser (Bass) und Harry Sokal (Saxophon) – live übernimmt dessen Rolle Fabian Rucker – neu in Szene gesetzten Schubertlieder irgendwo im Spannungsfeld zwischen Jazz, Klassik und leichten Popanleihen. Warm und gediegen im Sound erschließen sich die instrumental eher in dezenter und zurückhaltender Form dargebrachten Stücke ihren Weg eher auf leisen Sohlen. Auf die große Gesten und allzu ausufernde Experimente wird eigentlich ganz verzichtet, alleine der runde, in sich geschlossene und songdienliche Gesamtklang, welcher Lia Pale den notwendigen Raum bieten soll, sich voll zu entfalten, steht im Vordergrund. 

„gone too far“ ist ein Album geworden, auf dem die Verspieltheit des Jazz und eine charmante Gefälligkeit eine wunderbare Liaison eingehen, eine, die zugleich herausfordert, wie auch die Seele anspricht und verführt. Mit Voraussagen sollte man ja vorsichtig sein, doch eines scheint sicher, von Lia Pale wird man in Zukunft noch einiges zu hören bekommen.