07-2013
CD des Monats
Zu weit gegangen („gone too far“)? Das sehen Freunde des romanti- schen Liedes womöglich anders als Fans des modernen Jazzgesangs. Wahrscheinlich aber können sich beide darauf einigen, hier ein be- zauberndes Vocal-Album vor sich zu haben – zwölf Lieder aus Franz Schuberts „Winterreise“, bearbeitet für Stimme und Jazzquartett… Rüegg gibt hier den Mentor für das Plattendebüt der Sängerin Lia Pale aus Wels (Oberösterreich), und wie schon beim VAO beweist er ein- mal mehr seine feine Spürnase für junge, weibliche Gesangstalente. Mit facettenreicher Stimme verwan- delt Lia Pale, die Müllers Texte eng ans Original angelehnt ins Engli- sche übertragen hat, die ursprüng- lich eher düster gestimmten Lieder in leichte Songs zwischen Jazz und Klassik mit einer Prise Pop-Appeal. Klingt sie auch mal mädchenhaft, bleibt sie doch immer natürlich. Rüegg, der im VAO nie Klavier spiel- te, sondern immer nur dirigierte, begleitet sparsam, zurückhaltend und songdienlich; durchweg lässt er seiner Neuentdeckung den Vor- tritt. Und wenn Harry Sokals Saxo- fon die Stimme umspielt oder dazu einen Gegenpol setzt, wird plausi- bel, dass Lia Pale als größtes Vor- bild Billie Holiday anführt – deren idealer Partner Lester Young hieß.