Über die Produktion „ A Winter’s Journey“
1983 hatte ich mit dem Vienna Art Orchestra erstmals ein Programm gemacht, bei dem ich klassische Stücke bearbeitet und in einen erweiterten Jazzkontext gesetzt hatte. In The Minimalism of Erik Satie geht es um Klavierstücke, die ich Takt für Takt umgearbeitet und orchestriert hatte, seither bin ich diesem System treu geblieben und hatte so unter anderem Werke von Komponisten wie Johann Strauss, Verdi oder Gershwin umgesetzt. Ganz im Sinne des Jazz, der sich seit Beginn seiner Existenz alles Mögliche zu eigen gemacht und wie ein Schwamm aufgesogen hatte. 1993 hatte ich ein weiteres Album mit dem Vienna Art Orchestra unter dem Titel European Songbook gemacht, auf dem sechs Lieder von Schuberts Winterreise - instrumental gehalten, zu finden sind. Und nun habe ich mich erstmals an vokale Bearbeitungen gewagt, in Zusammenarbeit mit Lia Pale. Es war mir wichtig, dass die Bearbeitung deckungsgleich mit dem Original, also jeder Takt an seiner vorhergesehenen Stelle ist. Die Melodien bleiben unverändert, allerdings rhythmisch variiert. Die harmonisch/kadenziellen Schwerpunkte bleiben ebenfalls erhalten, allerdings oft mit zahlreichen Variationen ausgeschmückt. Bei den Tempi habe ich mir viele Freiheiten genommen, wobei der größte Unterschied zu der klassischen Interpretation darin besteht, dass es keine Agogik gibt, sondern sich alles auf den entsprechenden Grundpuls bezieht. Manche Bearbeitungen sind sehr nah am Original, wie zum Beispiel der Wegweiser, Leiermann oder Gute Nacht, manche sind ziemlich weit weg davon, wie zum Beispiel Mut, Post oder die Nebensonnen. Andere Stücke wie Erstarrung, Letzte Hoffnung oder Einsamkeit, liegen in etwa in der Mitte. Das hat auch damit zu tun, dass ich diesem bearbeiteten Liedzyklus eine eigene Dynamik geben wollte, die in sich stimmig ist. Und diese daraus hervorgegangene veränderte, praktische „neue“ Musik sollte man auch ohne Kenntnisse Originale genießen können, wobei es „mit“ natürlich viel spannender ist
Julia und ich haben uns im Zeitraum dieser vier Jahre, in denen wir an diesem Programm gearbeitet haben, stark verändert und weiterentwickelt. Davon zeugt diese Aufnahme auch, wie auch davon, dass sich unsere Rhythmusgruppe mit Ingrid Oberkanins, Hans Strasser und mir immer besser eingespielt hat. Die vielen außergewöhnlichen Solisten, allen voran Mario Rom, der mit drei Soli vertreten ist, die Saxophonisten Harry Sokal, Klaus Dickbauer und Joris Roelofs, allesamt ehemals beim VAO dabei sowie der Geiger Roman Janoska, Saxophonist Fabian Rucker und die Stepptänzerin Sabine Hasicka verleihen diesem Album vielfältige Farben und umgarnen die samtene Stimme von Hauptakteurin Lia Pale.
Jänner 2017, mathias rüegg
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