Was Jazzkeller und das Heavy-Metal-Festival Wacken so alles gemeinsam haben!
Als Frank Zappa 1973 in seinem Be Bop-Tango verkündete, „Jazz is not dead, it just smells funny“, hatte er die Lacher auf seiner Seite. Wenn man sein Werk allerdings aus heutiger Sicht betrachtet, dann kommt einem vieles seltsam abgestanden & antiquiert vor, was man weder von Art Tatum, Ben Webster, Charles Mingus und vielen anderen Jazzgrößen behaupten könnte. Nachdem sich nun die Geschichte das Jazz schon vor längerer Zeit dem Ende zugeneigt hatte, wird die Sicht darauf etwas freier und viele Nebelschwaden lichten sich. Wir dürfen wohlgemut feststellen, dass die Jazzmusik bestens dokumentiert ist; ein umfassendes Oeuvre einer einzigartigen Musikrichtung, die in ein paar wenigen Jahrzehnten entstanden ist. Und das alles ist dank modernster Technik bequem, sogar kostenlos und in bester Tonqualität jederzeit abrufbar. Und im Gegensatz zur klassischen Musik ist praktisch von den Anfängen an alles auf Tonträgern dokumentiert. Man muss also nicht lange rätseln, wie die Rhythmik und Phrasierung im Jazz zu spielen ist, welche Instrumente man damals verwendet hatte, was improvisiert oder notiert war, ob man dazu getanzt hatte etc. Der Jazz war praktisch ein halbes Jahrhundert die dominierende Popular Music, zusätzlich der Klang der Freiheit nach dem Krieg, bevor er dann spätestens in den 60er Jahren durch den Rock’n Roll, samt endogener Folgewirkungen, abgelöst worden ist. Aber hauptsächlich war der Jazz die Musik der schwarzen Sklaven Amerikas, einer verfolgten Minderheit, der es ähnlich wie den Juden erging. Regisseur Spike Lee spricht in diesem Zusammenhang vom Black Holocaust! So wie den Juden praktisch alle Berufe verboten waren und für sie nur noch Geldhandel, die Religion, Bildung & Musik übrig blieben, konnten sich die schwarzen Sklaven bestenfalls im Entertainment, also im Tanzen, Singen, und Musizieren beweisen. Beide schwer geprüften Völker hatten es darin jeweils zu einer unglaublichen Meisterschaft gebracht und waren mehr als nur beteiligt am Aufstieg Amerikas zur wirtschaftlichen und kulturellen Großmacht.
Die Frage stellt sich, ob sich eine Musik weiterentwickeln muss oder ob es reicht, einen Status Quo zu erhalten. In der klassischen Musik stellt sich diese Frage nicht wirklich. Man interpretiert die Klassiker auf höchstem Niveau und bietet dem Hörer so die Möglichkeit, diese Musik LIVE optimal zu erleben. Dass die Programmauswahl oft sehr einseitig ist, lassen wir hier mal weg. Wahrscheinlich wird der Jazz einen ähnlichen Weg einschlagen (müssen) um sich so über Wasser halten zu können. Etwas, das die Rockmusik ebenfalls schon seit längerem praktiziert. Und die Popmusik hat mit dem Ende der Beatles praktisch aufgehört zu existieren. Die einzige Musikform, die sich noch immer weiterentwickelt, wäre meiner Meinung nach die amerikanische Gospelmusik, die aber keinen Kinderzimmertauglichkeitsbonus hat und deswegen hierzulande nicht so wahr genommen wird.
Aber kommen wir zurück zum Jazz: ja, es gibt massive Probleme. In den organisatorischen Bereichen eine Menge Desperados, deswegen auch kaum Geld, dafür tausende von Schulen/Unis, die tausende von akademischen Musikern ausbilden, die hauptsächlich versuchen, ältere Männer zu „unterhalten“. Und die Crux dabei: Frauen kommen praktisch nicht vor, weder auf der Bühne noch im Publikum. Somit ist der Jazz wohl die einzige Musikrichtung neben Death Metal, die hauptsächlich von Männern gespielt und gehört wird (Was Jazzkeller und das Haevy-Metal-Festival Wacken so alles gemeinsam haben..:-) Ausnahme sind lediglich die Sängerinnen. Warum das so ist, ist schwer zu erklären. Dazu vielleicht später mal mehr. Auch wenn ich die junge österreichische Jazzszene in Wien beobachte: Jungs wohin das Auge reicht!
Egal: der Jazz braucht mehr Frauen und weniger schnelle Noten. Und er braucht charismatische, junge Frauen, die anders an die Dinge herangehen und das Jazzpublikum wieder bunter und fröhlicher machen. Deswegen würde ich hier gerne zwei junge, hoch talentierte Sängerinnen vorstellen, denen hoffentlich bald einmal die Zukunft gehören könnte: die (...............................) Agathe Iracema, halb Brasilianerin, halb Französin, die (..........................................) Schwedin Isabella Lundgren oder eben auch dieses (...................................) Wesen, mit dem ich nun seit drei Jahren zusammenarbeite, auch wenn diese von den Dreien am wenigsten im Bereich Jazz anzusiedeln wäre.
Der Jazz hatte die Welt zu Beginn des 20.Jahrhunderts vor allem durch prägnante Einfachheit erobert. Ein Stück davon könnte auch heute nicht schaden.
mathias rüegg
Der nächste Eintrag erfolgt am 30.4.