to blog or not to blog # 17, 15.02.2015

Grammy gegen Eurovision Song Contest: 85 zu 1!

Es liegt in der Natur des Menschen, vor allem der Männer, sich mit anderen zu messen. Das funktioniert z.B. im Sport, bei dem es ausschließlich um messbare objektive Kriterien geht, bestens. In der Kunst funktioniert das erwartungsgemäß weniger gut. Deswegen gibt es dort statt Wettkämpfen - wenn man von den Nachwuchswettbewerben absieht – Preise, die z.B. im  Musikbereich entweder durch Jurys (Grammy, Brit Award), durch Verkäufe (Echo) oder durchs Publikum ermittelt werden (ESC & zahlreiche Casting-Shows). Im Großen und Ganzen wiederspiegelt sich bei so großen Preisen jedoch mehr oder weniger der Publikumsgeschmack, die künstlerischen Leistungen, falls vorhanden, werden tendenziell eher am Rande wahrgenommen.
Doch der Grammy wäre einer näheren Betrachtung wert, denn in Europa werden ja vorwiegend dessen Kategorien des Mainstream-Pop wahr genommen, und das meist in der Regenbogenpresse, was das Bild dieses in 85 verschiedenen Kategorien vergebenen Preises massiv verfälscht. So gibt es zum acht Kategorien die Klassik betreffend, gleich viele widmen sich dem Jazz, wenn man Komposition und Arrangement dazu rechnet. Weiters gibt es fünf Kategorien für Gospel (etwas vom Spannendsten, das die amerikanische Musik zu bieten hat) und christliche Musik, vier für Latin Music usw. Auch wenn man nicht immer mit den Vergaben einverstanden sein mag, so bewerten alle Preise fast ausnahmslos Produktionen auf höchstem Niveau, wobei in diesem amerikanischen, nationalen Musikpreis Produktionen, die nicht aus dem angelsächsischen Raum kommen, praktisch chancenlos sind. Mit Ausnahme der Klassik. Sprich: Europäer kommen außerhalb dieser Kategorien kaum vor! Und es versteht sich von selbst, dass es auch Grammys für Aufnahmetechnik, einer der amerikanischen Domänen, gibt. 
Wenn „hören können“ musikalische Bildung wäre, dann wären die Amerikaner ein musikalisch hoch gebildetes Volk, ganz im Gegensatz zu den Europäern, die die musikalische Bildung (mit Ausnahme von Oberösterreich..:-) praktisch aus dem Bewusstsein verbannt haben. Es wird weder zuhause noch in der Schule mehr musiziert. Deswegen kann ein breiteres Publikum nicht mehr nachvollziehen, ob jemand singen kann oder nicht - wobei es natürlich verschiedene Arten des Singens gibt. Oder es kann keinen Rhythmus mehr ohne donnernde Bass Drum erfassen. Und auf „zwei und vier“ mitzuklatschen funktioniert noch immer nicht (außer in den Balkan-Ländern). Oder es ist nicht mehr fähig, die Qualität einer Melodie zu erkennen. Dass das mal ganz anders war, beweist z.B. Folgendes: als der Donauwalzer von Johann Strauss 1867 „releast“ wurde, erschien der Klavierauszug in einer Auflage von einer Mio. Exemplaren!
Apropos: früher war vieles anders, einiges besser, aber sehr vieles wesentlich schlechter!!
„Mittlerweile ist diese Veranstaltung (...) zu einem Skurrilitätenwettbewerb geworden, der für die heimischen Musiker völlig irrelevant ist“. Das war die Begründung von Reinhard Scolik, dem Programmdirektor des ORF, warum der ORF in den Jahren 2006 und 2008 bis 2010 nicht mehr am Song-Contest teilnehmen wollte. Dem ist NICHTS hinzuzufügen! Es ist BESCHÄMEND, dass die Stadt Wien für die Bewerbung dieser musikverachtenden Grossveranstaltung € 5 Mio. ausgibt. Es ist BESCHÄMEND, dass der ORF, der aufgrund der Gebühreneinnahmen einen Kulturauftrag hätte (den er sehr oft NICHT wahrnimmt), dafür € 20 Mio. ausgibt. Und es ist BESCHÄMEND, dass es dazu nicht mal den leisesten Protest von den Musikern/Künstlern hierzulande gibt. Der einzige Lichtblick in dieser Causa kam übrigens von der Stadt Salzburg, die sich als einzige größere Stadt in Österreich nicht für die Durchführung dieses "Events" beworben hatte. Wenn man diese Veranstaltung wenigstens in Eurovision Show- oder Karaoke Contest umbenennen würde, dann  wäre zumindest  einiges gewonnen.

mathias rüegg

ps: wie sinnlos ist es eigentlich, einen „Musik-Preis“ zu vergeben, dessen Hauptkriterium die Nationalität ist?

Der nächste Beitrag folgt am 28.Februar

 

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